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Hartz IV – Aktuelle Entscheidungen des LSG

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat zu dem am 1.1.2005 in Kraft getretenen Sozialgesetzbuch II (SGB II - Grundsicherung für Arbeitssuchende) weitere Entscheidungen im Wege des Einstweiligen Rechtsschutzes getroffen. Nach dem SGB II wird u.a. das Arbeitslosengeld II gewährt, das an die Stelle der früheren Arbeitslosenhilfe getreten ist.


Die Entscheidungen betreffen die Übernahme von Energiekostenrückständen, die Berücksichtigung von Schulden bei der Bestimmung des anzurechnenden Einkommens sowie die Höhe der angemessenen Unterkunftskosten (insbesondere die Verbindlichkeit eines örtlichen Mietspiegels bzw. der Beträge aus der Tabelle zum Wohngeldgesetz).

Zur Übernahme von Energiekostenrückständen nach § 23 SGB II oder § 34 SGB XII

Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 19. August 2005 - L 7 AS 182/05 ER
nichtamtliche Leitsätze:

  1. Kosten für Haushaltsstrom sind aus der laufenden Regelleistung nach dem SGB II zu zahlen. Dies gilt auch für einen trotz regelmäßig gezahlter Abschlagsbeträge entstehenden Nachzahlungsbetrag. Für diesen Nachzahlungsbetrag kann ein Darlehen gem. § 23 I SGB II gewährt werden.
  2. Schulden, die durch die Nichtzahlung der Abschlagsbeträge entstehen, können gem. § 34 I SGB XII vom Sozialhilfeträger übernommen werden. Zur Frage, ob und inwieweit einem Hilfebedürftigem bei Unterbrechung der Stromzufuhr eine Wiederaufnahme der Belieferung im Wege der Selbsthilfe durch Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Amtsgericht zumutbar ist.
  3. Der Sozialleistungsträger nach dem SGB II ist hier als zuerst angegangener Leistungsträger vorleistungspflichtig nach § 43 SGB I.

Entscheidung L 7 AS 182/05 ER

Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 14. September 2005 - L 8 AS 125/05 ER
nichtamtliche Leitsätze:

  1. Ein unabweisbarer Bedarf iSd § 23 Abs 1 SGB II liegt vor, wenn die Abdeckung des fraglichen Bedarfs keinen Aufschub duldet und eine erhebliche Beeinträchtigung der Bedarfe vorliegt, die auch nicht durch Mittelumschichtung innerhalb der Regelleistung beseitigt bzw aufgefangen werden kann. Hierunter fallen auch Kosten für regelmäßige Bedarfe wie Haushaltsenergie, soweit diese nicht durch die Regelleistungen abgedeckt sind und es sich nicht um Schulden handelt.
  2. Bei der Prüfung der Frage, ob es sich bei Energiekostenrückständen um Schulden iSd § 34 Abs 1 SGB XII oder um einen Bedarf iSd § 23 Abs 1 SGB II handelt, ist maßgeblich darauf abzustellen, ob die Nachforderung trotz Zahlung der geforderten Abschlagsbeträge durch Mehrverbrauch oder durch eine Erhöhung der Energiekosten im Abrechnungszeitraum entstanden ist. In einem solchen Fall handelt es sich um einen Bedarf des Leistungsberechtigten. Nur wenn die Energiekostenrückstände durch die Nichtzahlung der geforderten Abschlagsbeträge verursacht worden sind, die bereits als Teil der Regelleistungen nach § 20 SGB II bedarfsbegründend berücksichtigt wurden, handelt es sich um Schulden (wie hier: LSG Niedersachsen-Bremen vom 19. August 2005 - L 8 AS 182/05 ER -).

Entscheidung L 8 AS 125/05 ER

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Zur Ermittlung der Angemessenheit von Unterkunftskosten (Wohngeldtabelle rechte Spalte, falls kein aussagefähiger und nachprüfbarer Mietspiegel)

Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 28. November 2005 - L 8 AS 181/05 ER
nichtamtliche Leitsätze:

  1. Bei der Ermittlung der Angemessenheit von Unterkunftskosten ist regelmäßig, sofern nicht aussagefähige örtliche Mietspiegel vorhanden sind, die Wohngeldtabelle nach dem WoGG zugrunde zu legen. Im Regelfall wird der Tabellenwert der rechten Spalte berücksichtigt. Dies hat auch den Vorteil, dass der Begriff der Angemessenheit klar und eindeutig bestimmt wird, um den Sozialleistungsträgern und den Empfängern der Leistung eine deutliche "Richtlinie" an die Hand zu geben (ständige Rechtsprechung des Senats, zuletzt Beschluss vom 17. Oktober 2005 - L 8 AS 258/05 ER -).
  2. Von der Anwendung der Tabellenwerte nach dem WoGG kann (sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Antragstellers) eine Ausnahme gemacht werden, wenn es für den maßgeblichen örtlichen Wohnungsmarkt einen aussagefähigen und nachprüfbaren Mietspiegel gibt oder im Einzelfall eine andere Betrachtungsweise angezeigt ist. Örtliche Mietspiegel iS der §§ 558c, 558d Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sind im Regelfall vor den Tabellenwerten nach dem WoGG zu berücksichtigen, weil sie eine aktuelle Übersicht - anders als die Tabellenwerte nach dem WoGG - über die örtlichen Mieten bieten.

Entscheidung L 8 AS 181/05 ER

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Zur Einkommensanrechnung bei freiwilliger Schuldentilgung titulierter Forderungen

Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 5. Okober 2005 - L 8 AS 48/05 ER
nichtamtliche Leitsätze:

  1. Grundvoraussetzung für den Einkommenseinsatz nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II ist die Verfügbarkeit des Antragstellers über das von ihm erzielte Einkommen. An dieser tatsächlichen Verfügbarkeit fehlt es bei gepfändetem Einkommen, wenn dieses sogleich an den Gläubiger ausgekehrt wird. Ebenso wie unter Geltung des Bundessozialhilfegesetzes darf gepfändetes Einkommen grundsätzlich auch nach dem SGB II nicht als verfügbares Einkommen bedarfsmindernd berücksichtigt werden.
  2. Auch Einkommen, welches im Hinblick auf vorliegende Titel zur freiwilligen Schuldentilgung verwandt wird, darf bis zur Pfändungsfreigrenze des § 850c ZPO nicht als Einkommen gemäß § 11 Abs 1 SGB II berücksichtigt werden, da bei einer titulierten Forderung der Gläubiger sofort auf eine Pfändung übergehen kann, wenn der Schuldner die freiwilligen Zahlungen nicht fortsetzt. Allerdings können die freiwilligen Zahlungen auf die titulierten Forderungen nur in dem Umfang berücksichtigt werden, wie sie den unpfändbaren Betrag nach § 850c ZPO nicht unterschreiten.

Entscheidung L 8 AS 48/05 ER

Hinweis: Die Leitsätze dienen nur zur Orientierung und stellen keine amtlichen Leitsätze dar.

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