Nachteilsausgleich „aG“– Behindertenparkplätze
Der 5. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen hat in zwei Entscheidungen den Nachteilsausgleich "aG" zugesprochen. Dieser Nachteilsausgleich berechtigt u.a. zur Benutzung von Behindertenparkplätzen, die mit dem Rollstuhlfahrersymbol gekennzeichnet sind.
Die Kläger gehörten nicht zu dem in der einschlägigen Verordnung ausdrücklich genannten anspruchsberechtigten Personenkreis (u.a. Querschnittsgelähmte und Doppeloberschenkelamputierte). Allerdings haben nach der Verordnung auch diejenigen (nicht ausdrücklich genannten) Behinderten Anspruch auf den Nachteilsausgleich "aG", die hinsichtlich ihrer Gehfähigkeit dem anspruchsberechtigten Personenkreis gleichzustellen sind. Bei der Prüfung der Gleichstellung hat das LSG die vom Bundessozialgericht vorgegebenen Grundsätze angewandt und ist in beiden Fällen – anders als die beklagte Behörde und das erstinstanzliche Gericht – zu einer für den jeweiligen Kläger positiven Entscheidung gekommen.
Gegen beide Entscheidungen hat die beklagte Behörde zwischenzeitlich Revision beim Bundessozialgericht eingelegt.
Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 14.12.2005 - L 5 SB 23/05
Revision anhängig beim BSG (B 9a SB 1/06 R)
nichtamtliche Leitsätze:
- Beim Nachteilsausgleich aG ist für eine Gleichstellung nach Abschnitt II Nr. 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 46 Nr. 11 StVO erforderlich, dass der Schwerbehinderte auch unter Einsatz orthopädischer Hilfsmittel praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kfz nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung gehen kann. Der Betroffene muss in seiner Gehfähigkeit so stark eingeschränkt sein, dass die Zurücklegung längerer Wegstrecken zu Fuß unzumutbar ist. Er muss jedoch nicht - wie etwa ein Querschnittsgelähmter - nahezu unfähig sein, sich fortzubewegen (Anschluss an BSG, Urteil vom 10. Dezember 2002 - B 9 SB 7/01 R = BSGE 90, 180).
- Auch eine restriktive Auslegung der rechtlichen Vorgaben des Nachteilsausgleichs aG befreit nicht davon, im Rahmen einer umfassenden Einzelfallprüfung Zumutbarkeitskriterien zu prüfen.
- Bei dieser Zumutbarkeitsprüfung ist auch der Gesetzeszweck des SGB IX zu berücksichtigen (u.a. Förderung der Selbstbestimmung und der gleichberechtigten Teilnahme des Behinderten am Leben in der Gesellschaft). Gerade bei außergewöhnlich Gehbehinderten bestimmt sich die Möglichkeit der Teilhabe an der Gesellschaft fast ausschließlich nach der Fähigkeit, Veranstaltungsorte, Geschäfte und sonstige Einrichtungen mittels des eigenen Kraftfahrzeugs zu erreichen.
- Können mithilfe eines Rollators (nach jeweils kurzen Pausen) wiederholt Wegstrecken von ca. 200 Metern ohne wesentliche Schmerzen oder Beschwerden zurückgelegt werden, besteht kein Anspruch auf den Nachteilsausgleich aG.
- Muss der schwerbehinderte Mensch dagegen bei einer Fortbewegung innerhalb seiner Wohnung bereits Unterarmgehstützen benutzen bzw. sich an Einrichtungsgegenständen abstützen und kann er außerhalb der Wohnung nur noch maximal 150 m pro Weg zurücklegen, wobei er infolge Luftnot und Schmerzen jeweils nach maximal 30 Metern eine Pause im Sitzen einlegen muss, und besteht zusätzlich die Gefahr osteoporosebedingter Sinterungsfrakturen, ist der Nachteilsausgleich aG zuzuerkennen.
Urteil im Volltext: L 5 SB 23 05 (Nachteilsausgleich aG)
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Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 14.12.2005 - L 5 SB 173/04
Revision anhängig beim BSG (B 9a SB 5/05 R)
nichtamtliche Leitsätze:
- Beim Nachteilsausgleich aG ist für eine Gleichstellung nach Abschnitt II Nr. 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 46 Nr. 11 StVO erforderlich, dass der Schwerbehinderte auch unter Einsatz orthopädischer Hilfsmittel praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kfz nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung gehen kann. Der Betroffene muss in seiner Gehfähigkeit so stark eingeschränkt sein, dass die Zurücklegung längerer Wegstrecken zu Fuß unzumutbar ist. Er muss jedoch nicht - wie etwa ein Querschnittsgelähmter - nahezu unfähig sein, sich fortzubewegen (Anschluss an BSG, Urteil vom 10. Dezember 2002 - B 9 SB 7/01 R = BSGE 90, 180).
- Auch eine restriktive Auslegung der rechtlichen Vorgaben des Nachteilsausgleichs aG befreit nicht davon, im Rahmen einer umfassenden Einzelfallprüfung Zumutbarkeitskriterien zu prüfen.
- Bei dieser Zumutbarkeitsprüfung ist auch der Gesetzeszweck des SGB IX zu berücksichtigen (u.a. Förderung der Selbstbestimmung und der gleichberechtigten Teilnahme des Behinderten am Leben in der Gesellschaft). Gerade bei außergewöhnlich Gehbehinderten bestimmt sich die Möglichkeit der Teilhabe an der Gesellschaft fast ausschließlich nach der Fähigkeit, Veranstaltungsorte, Geschäfte und sonstige Einrichtungen mittels des eigenen Kraftfahrzeugs zu erreichen.
- Können noch Wegstrecken von maximal ca. 300 Metern ohne Hilfsmittel bzw. mittels einer Gehhilfe von maximal ca. 400 Metern ohne wesentliche Schmerzen oder Beschwerden zurückgelegt werden, besteht kein Anspruch auf den Nachteilsausgleich aG.
- Muss der schwerbehinderte Mensch dagegen bei einer Fortbewegung innerhalb seiner Wohnung bereits eine Gehhilfe benutzen oder sich an Einrichtungsgegenständen abstützen und kann er außerhalb der Wohnung aufgrund sich dann einstellender Luftnot nur noch maximal 100 Meter zurücklegen, wobei bereits erhebliche Schmerzen ab einer Wegstrecke von ca. 20 Metern auftreten, ist der Nachteilsausgleich aG zuzuerkennen
Urteil im Volltext: L 5 SB 173 04 (Nachteilsausgleich aG)
Hinweis: Die Leitsätze dienen nur zur Orientierung und stellen keine amtlichen Leitsätze dar.